Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Blütezeit der Dampflokomotive schon längst begonnen, als die Postkutsche als damals einziger Konkurrent zur Eisenbahn noch lange nicht vergessen war. Und während in England verschiedene private Bahnunternehmungen um die effizientesten Verbindungen auf denselben Streckennetzen buhlten, profitierten in Deutschland die einzelnen Länderbahnen von einer Monopolstellung innerhalb ihres Einsatzgebietes. So gab es bis dato für die deutschen Lokomotivkonstrukteure kaum Anreize, die damals übliche maximale Reisegeschwindigkeit von 90 km/h zu erhöhen.

Die 1899 ins Leben gerufene Studiengesellschaft für elektrische Schnellbahnen St.E.S. liess die Machbarkeit von elektrischen Fernschnellbahnen untersuchen. Die Versuchsreihe mit Drehstromlokomotiven der Firmen AEG, UEG und Siemens & Halske erreichte 1903 mit dem überschreiten der 210 km/h-Marke auf einer Strecke des Preussischen Kriegsministeriums ihren Höhepunkt. Diese Geschwindigkeit bedeutete den absoluten Weltrekord auf Schienen und wurde bis zu diesem Zeitpunkt von keinem anderen Fahrzeug auch nur annähernd erreicht. Dieses beeindruckende Potential einer damals neuen Traktionsart setzte nun auch die deutsche Dampflokindustrie unter Druck.

Bereits 1902 schrieb der Verein Deutscher Ingenieure VDI einen Wettbewerb für die Entwicklung einer Hochgeschwindigkeits-Dampflok aus, welche in der Ebene 180 Tonnen Anhängelast mit 150 km/h Spitzengeschwindigkeit befördern sollte.
Die damals vorhandenen Gleisanlagen wurden mehrheitlich für Fahrgeschwindigkeiten von weniger als 100 km/h und für maximale Achslasten von lediglich 16 Tonnen gebaut. Die neue Lokomotive sollte deshalb nicht nur schnell sein, sondern auch über ein möglichst oberbauschonendes Fahrwerk verfügen.

Nachdem erste Entwürfe nicht überzeugten, schlugen die meisten Bewerber zweifach gekuppelte Vierzylinder-Heissdampf-Verbundlokomotiven vor. Auf Empfehlung des Geheimen Oberbaurats Wittfeld konnte sich aber die Dreizylinder-Nassdampf-Verbundlok durchsetzten, welche bei Henschel & Sohn von Oberingenieur Kuhn ausgearbeitet wurde.
1904 setzte die Preussische Staatsbahn die unter der Fabriknummer 6260 fertiggestellte Lokomotive als «Altona 561» (Gattung S9, Bauart Kuhn-Wittfeld) in Betrieb. Das in Bezug auf die Schonung des Unterbaus äusserst günstige Fahrwerkskonzept mit der Achsanordnung 2'B2' erfüllte die Erwartungen jedoch nicht: Die eigenwillig anmutende Dampflokomotive mit ihrem Frontführerstand und Vollverkleidung litt wegen des weit zurückgedrängten Kessels unter einem stark hecklastigen Gewichtsüberhang, welcher die Laufeigenschaften negativ beeinflusste. Ausserdem vermochte das Nassdampftriebwerk die Lokomotive lediglich auf maximal 144 km/h zu beschleunigen, was hinter den Erwartungen zurück blieb.

Im Hinblick auf die 1906 in Nürnberg stattfindende Bayerische Jubiläums-Landes-Ausstellung wollte die Bayerische Staatsbahn etwas besonderes präsentieren und beschloss im Jahre 1905 den Bau einer speziellen Schnellfahrlokomotive.
Die in München ansässige Lokomotivfabrik J.A.Maffei feierte bereits 1902 international beachtete Erfolge mit ihrer badischen «IId»: Diese Lokomotive erreichte eine Spitzengeschwindigkeit von 144 km/h und galt damals als schnellste deutsche Serienlokomotive. Selbstredend erhielt J.A.Maffei den Zuschlag für den neuen Auftrag.

Der geniale Chefkonstrukteur der bayerischen Lokomotivschmiede, Anton Hammel, welcher bereits für die badische «IId» verantwortlich zeichnete, war die treibende Kraft für eine heutzutage unvorstellbare Leistung: Nach dem Bestellungseingang im Dezember 1905 konnte am 30. April 1906, nach nur vier Monaten Konstruktions- und Bauzeit, auf dem Gelände der Maffei-Werke eine neue Lokomotive erstmals unter Dampf gesetzt werden, deren konstruktive Merkmale in der Dampflokomotivgeschichte einen Meilenstein setzten und ihrer Zeit um Jahre voraus waren.

Am 3. Mai 1906 rollte Hammels Lokomotive als erstes nach Nürnberg. Dort traf sie pünktlich zur Eröffnung der Landesausstellung ein und erntete zurecht die Bewunderung des interessierten Publikums. Dieses würdigte die damals grösste je gebaute Lokomotive auf Postkarten als «Maffei'sche Riesenlokomotive».

Die übergabe an die Bayerische Staatsbahn erfolgte am 21. Oktober 1906, wo die Lokomotive die Bahnnummer 3201 erhält. Sofort wurde sie ausgiebig erprobt. Dabei erfüllte sie von Beginn weg alle Erwartungen. Schliesslich nahm die Bahnverwaltung die Lokomotive am 6. Mai 1907 endgültig ab und begann im Juni des selben Jahres mit umfangreichen Schnellfahrversuchen.

Am 5. Juli 1907 veröffentlichte der Eichstätter Kurier folgenden Bericht:

Eichstätter Kurier

Zitat vom 5. Juli 1907

«Am 1. und 2. Juli wurde mit einer von der Firma J.A.Maffei in München gebauten 2/6 gekuppelten Vierzylinderverbund-Schnellzuglokomotive S 2/6 auf der Linie München - Augsburg Schnellfahrten mit sehr günstigem Ergebnis veranstaltet. Die Lokomotive beförderte einen Wagenzug von 150 t Gewicht mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 130 km/Std. Längere Zeit hindurch erreichte sie eine Geschwindigkeit von 154.5 km/Std., somit 4.5 km/Std. mehr, als die Fa. Maffei garantiert hatte. Es dürfte dies wohl die grösste Geschwindigkeit sein, die jemals in Europa mit einer Dampflokomotive gefahren wurde. Der Gang der Maschine war dabei bemerkenswert ruhig und die Dampferzeugung trotz der hohen rund 2000 PS betragenden Arbeitsleistung so reichlich, dass die Fahrt mit gleicher Geschwindigkeit noch längere Zeit hätte fortgesetzt werden können...»

Während die technischen Informationen in diesem Zeitungsartikel absolut korrekt sind, irrte sich der Journalist des Eichstätter Kuriers mit seiner Mutmassung, dass es sich um einen europäischen Geschwindigkeitsrekord für Dampflokomotiven handelte.

In England tobte zu jener Zeit ein erbitterter Konkurrenzkampf zwischen der Great Western Railway GWR und der London & South Western Railway LSWR. Beide Bahngesellschaften verbanden London mit Plymouth, einer bedeutenden Hafenstadt für die Atlantik-Schifffahrt. Die GWR versuchte mit ihren ebenso prestigeträchtigen Postzügen die Reisezeit der Personenzüge der LSWR zu unterbieten.
Die englische Zweizylinder-Nassdampflokomotive «City of Truro» hatte am 9. Mai 1904 einen 150 t schweren Zug in einem ersten Abschnitt in Richtung Plymouth zu befördern. Ein Zug-Zeitnehmer ermittelte dabei bei Wellington Bank mit einer Stoppuhr eine Geschwindigkeit von 102.3 mph (164.6 km/h). Damit gilt die «City of Truro» als erste europäische Dampflokomotive, welche die damals magische Geschwindigkeitsmarke von 100 mph (160 km/h) überschritten haben soll.

Ob der deutsche Journalist nichts vom damals bereits zweijährigen Rekord wusste oder ob er ihn schlicht ignorierte, ist spekulativ. Tatsächlich fiel den Deutschen das Anerkennen der englischen Rekordfahrten nicht leicht! Das lag daran, dass man in Deutschland stets repräsentative Werte zu ermitteln versuchte: Eine Rekordfahrt musste demzufolge auf einer horizontalen Strecke mit definierter Last durchgeführt und von einem Messwagen genauestens protokolliert werden.
In England hingegen betrieb man einen Wettlauf um Fahrzeiten auf spezifischen Strecken, wobei es lediglich die jeweilige Konkurrenz zu schlagen galt. Die Tatsache, dass die «City of Truro» ihre Rekordgeschwindigkeit in einem Gefälle von 11 ‰ bis 12.5 ‰ erreichte, spielte dabei ebenso wenig eine Rolle, wie die nicht ganz zweifelsfreie Art der Geschwindigkeitsmessung.

Ganz im Gegensatz zu Rekordmeldungen aus England und den Vereinigten Staaten lässt sich mit Sicherheit sagen, dass der am 2. Juli 1907 aufgestellte damalige deutsche Rekord durch die S 2/6 auch weltweit die erste protokollarisch bestätigte Fahrt war, bei der mit reiner Dampfkraft auf Horizontalfahrt unter Last die 150 km/h-Geschwindigkeitsmarke überschritten und die Höchstgeschwindigkeit dank ausreichender Kesselleistung dauerhaft konstant gehalten werden konnte.
Beteiligte der Rekordfahrt wollten sogar wissen, dass noch höhere Geschwindigkeiten nur vereitelt wurden, weil der Lokführer Johann Zuschanko wegen einer Kurve abbremsen musste. Mit dieser Mutmassung bewegte man sich natürlich ebenfalls im Reich der Spekulationen...

Ab 1907 setzte die Bayerische Staatsbahn die S 2/6 im Schnellzugsdienst ab München, meist auf der Linie nach Augsburg ein.

Mit Ausnahme von Amerika und einigen anderen überseeischen Ländern prägten im Schnellzugsbetrieb des 19. Jahrhunderts immer noch zwei und dreiachsige Personenwagen das tägliche Bild.
Mit dem Übergang zu vierachsigen Drehgestellwagen wurde nun auch in Europa das Zugsgewicht deutlich erhöht: Rechnete man um 1880 für einen unbelegten Reiseplatz in einem Wagen der 1. und 2. Klasse noch mit 350 kg und in der 3. Klasse sogar mit 175 kg Platzgewicht, so erhöhte sich dieses nun mit der Einführung von Vierachsern auf 1250 kg, bzw. 750 kg.

Die in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts noch von vielen Bahngesellschaften beschafften Zweikuppler-Maschinen erwiesen sich nun innerhalb von wenigen Betriebsjahren für den schweren Schnellzugsdienst als zu schwach: Ihr geringes Adhäsionsgewicht verhinderte ein speditives Beschleunigen der immer schwerer werdenden Züge.
Diese Tatsache bekam auch die S 2/6 zu spüren: Was 1906 noch hoffnungsvoll als Hochleistungs-Schnellzuglokomotive konzipiert wurde, konnte bereits drei Jahre später den Bestimmungszweck nicht mehr ohne Kompromisse an die Fahrzeit erfüllen. Zu gross war die Überlegenheit der dreifach gekuppelten Nachfolgerin S 3/6 beim Beschleunigen. Dagegen konnte die S 2/6 ihre Vorzüge - 300 kW mehr Leistung und eine um 30 km/h höhere zulässige Endgeschwindigkeit - auf dem eher für langsame Fahrgeschwindigkeiten gebauten bayerischen Streckennetz nicht ausspielen. Als Einzelgängerin liess sie sich so in keinen Lokturnus mehr integrieren. Bereits 1909 stieg sie deshalb in München in den Status der Reservelok ab.

1910 wurde die S 2/6 an das Pfälzer Netz abgegeben. Die bayerische Staatsbahn linksrheinisches Netz, wie die Pfalzbahnen seit 1909 offiziell betitelt wurden, setzte auf ihren langen und ebenen Linien immer noch zweifach gekuppelte Lokomotiven mit grossem Erfolg ein. So liess sich die S 2/6 in diesen topographischen Verhältnissen ideal in den Fahrdienst integrieren und bewährte sich bis 1918 im täglichen Einsatz zwischen Bingerbrück, Ludwigshafen und Strassbourg.

Mit dem Ende des 1. Weltkrieges und der damit verbundenen neuen Grenzziehung zwischen Deutschland und Frankreich wurde das Einsatzgebiet der S 2/6 stark beschnitten. Gerne hätte es die bayerischen Staatseisenbahnen gesehen, wenn im Rahmen der Zwangsabgabe von 5000 Lokomotiven von Deutschland an die Siegermächte die S 2/6 von französischen Eisenbahngesellschaften übernommen worden wäre. Wie im Betriebsbuch der S 2/6 eindeutig vermerkt wurde, zeigten die Alliierten jedoch kein Interesse am bayerischen «Unikat». Bis 1921 verblieb sie deshalb in Ludwigshafen, wo sie in untergeordneten Diensten weiterhin ihr Gnadenbrot verdiente.

1921 kehrte die S 2/6 in ihr altes Heimatdepot München zurück und leistete ihre letzten Einsätze im Personenzugsverkehr. Nach und nach machten sich aber die Schwachpunkte der Leichtbauweise bemerkbar. Nachdem der Kessel und der Tender bereits mehrere Male repariert werden mussten, kündigte sich in der Mitte der Zwanzigerjahre das allmähliche Ende der Nutzungszeit der S 2/6 an. Nur eine Generalrevision hätte die Ausserbetriebsetzung verhindert, was damals bei einer Zweikupplerin wirtschaftlich aber längst nicht mehr vertretbar war.
Mit der Zusammenlegung der Länderbahnen zur Deutschen Reichsbahngesellschaft integrierte man die S 2/6 noch in die Umzeichnungspläne und führte sie buchmässig als Baureihe 15.001. Die Umnummerierung selber wurde aber nur noch auf bürokratischem Wege vollzogen: Bevor eine neue Beschriftung an der Lokomotive angebracht wurde, lag im Frühjahr 1925 eine Verfügung der Reichsbahngesellschaft aus Berlin vor, wonach alle zweigekuppelten Lokomotiven aus dem Bestand zu nehmen seien. Diese Verfügung hätte das Ende der S 2/6 bedeutet, wäre sie im selben Jahr nicht noch einmal für die Verkehrsausstellung in München als Exponat aufgeboten worden. Dort repräsentierte sie die Leistungsfähigkeit der bayerischen Lokomotivindustrie um die Jahrhundertwende.
Schliesslich verdanken wir es weitsichtigen Eisenbahnfachleuten, dass die S 2/6 nicht verschrottet wurde, sondern im Verkehrsmuseum (heute DB-Museum) in Nürnberg zur Ausstellung gelangte, wo sie noch immer besichtigt werden kann.

Datum Aktion Farbgebung
30. April 1906 Auf dem Werksgeländer der Maffei-Werke in München wurde die S 2/6 erstmals unter Dampf gesetzt. Der Kessel erhielt eine hellgraue russische Glanzblech- verkleidung. Führerhaus, Tender, Zylinderverkleidung und Aschenkasten waren in einem etwas dunkleren Ton gestrichen.
Zierbänder, Schornsteinkranz, Fensterrahmen, Niederdruck- zylinderverkleidung, Verkleidungsblech zwischen Kessel und Pufferbohle, Radreifen und Steuerstange glänzten blank.
Rahmen, Radsterne und Tenderdrehgestelle waren rot lackiert.

(Die Abbildung zeigt ein Modell im Massstab 1:87 der Firma Brawa. Die Farbgebung kommt dem Ablieferungszustand der Lok relativ nahe. Nachteilig wirkt sich aus, dass die Farbeffekte einer Glanzblechverkleidung mittels Lackierung nicht zu imitieren sind. Auch wurde auf eine Imitation der verschiedenen Verkleidungselemente aus polierten Stahlblech verzichtet. Die durchgehend stahlblaue Farbgebung des Modells ist somit als Kompromiss zu verstehen.)
3. Mai 1906 Die S 2/6 wurde vorübergehend Exponat an der Bayerische Jubiläums-Landes-Ausstellung in Nürnberg.
21. Oktober 1906 Inbetriebnahme der Lokomotive bei der Bayerischen Staatsbahn mit der Betriebsnummer 3201.
6. Mai 1907 Endgültige Fahrzeugabnahme durch die Bayerischen Staatsbahn.
bis 1907 Zahlreiche Probefahrten: Am 2. Juli 1907 erfolgte die Rekordfahrt: 150 t Anhängelast auf ebener Strecke mit einer Geschwindigkeit von 154.5 km/h.
1907 bis 1909 Einsatz im Schnellzugsdienst mit Heimatbahnhof München vorwiegend auf der Strecke München - Augsburg und München - Nürnberg - Ulm.
1909 Verdrängung in die Reserve durch die 1908 neu beschaffte stärkere S 3/6.
Oktober 1910 Abgabe der Lok an die Bayerischen Staatseisenbahnen linksrheinisches Netz (Pfälzer Netz). Bis 1918 Schnellzugsdienst auf der Strecke Bingerbrück-Ludwigshafen-Strassburg ab dem Heimatbahnhof Ludwigshafen. Lok und Tender erhielten den von der privaten Pfalzbahn herstammenden braunviolett Anstrich. Rahmen und Räder wurden dunkelrot. Die blanken Teile wurden vom vorhergehenden Farbkonzept übernommen und lediglich wieder aufpoliert.

(Die Abbildung zeigt ein Modell im Massstab 1:87 der Firma Brawa.)
vermutlich 1911 Ersatz der Pulsometer-Dampfstrahlpumpen durch nichtsaugende Friedmann-Injektoren.
1916 Verstärkung der Tenderdrehgestelle durch Aufnieten von Blechen.
1918 Reservedienst ab Ludwighafen.
1921 Umstationierung nach Augsburg und Einsatz im Personenzugsdienst.
1922   Lok und Tender waren grau lackiert. Rahmen, Radsterne und Tenderdrehgestelle präsentierten sich vermutlich in roter Farbe.

(Die Abbildung zeigt ein Modell im Massstab 1:87 der Firma Brawa.)
1925 Umzeichnung der S 2/6 in BR 15.001 der Deutschen Reichsbahn. Es blieb aber bei einer rein bürokratischen Aktion: Die Neubeschriftung an der Lok wurde nicht mehr vollzogen. Technische Mängel machten eine Generalrevision nötig, die aufgrund der Wirtschaftlichkeit nicht mehr durchgeführt wurde. Es folgt die Ausserbetriebsetzung.
In den Maffei-Werken in München wird die Lokomotive optische aufgearbeitet. Nach einer letzten Präsentation an der Verkehrsausstellung in München erfolgt die überführung ins Verkehrsmuseum nach Nürnberg.
zwischen 1947 und 1969   Da von 1947 bis 1983 keine Bilder der S 2/6 bekannt sind und entsprechende schriftliche Dokumente fehlen, lässt sich nicht mehr nachvollziehen, wann die Lok das gegenwärtige, der ehemaligen Bayerischen Staatsbahn nachempfundene grüne Farbkleid erhielt. Gemäss Augenzeugen soll sich die Museumslokomotive seit etwa Ende der Sechzigerjahre in dieser Fantasiefarbgebung präsentieren, in welcher sie zu Betriebszeiten nie verkehrte:
Kessel, Führerstand und Tender sind grün mit schwarzen Zierstreifen, das Fahrwerk und die Radsterne rot mit weiss abgesetzten Bandagen.

(Die Abbildung zeigt ein Modell im Massstab 1:87 der Firma Brawa.)

Um die Konstruktion der S 2/6 besser zu verstehen, müssen zuerst die technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen betrachtet werden:

Vor dem 1. Weltkrieg war das Reisen ein Luxus, welcher vorwiegend der wohlhabenden Bevölkerungsschicht vorbehalten war. Diese erwartete - ihrem Stande entsprechend - eine Beförderung mit allem erdenklichen Komfort: Es war die Zeit der prestigeträchtigen Luxuspersonenzüge. Diese erstreckten sich aber aufgrund der quantitativ geringen Auslastung meist nur über eine kurze Zugslänge. Andererseits waren die üblichen im Personenverkehr eingesetzten Schnellzugswagen noch von einer sehr leichteren Bauart. Die für diese leichten Zugstypen benötigten Traktionsmittel waren vor allem in Bezug auf eine hohe Reisegeschwindigkeit und weniger auf hohe Anhängelasten optimiert.

Wie bereits erwähnt, war der Oberbau zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch relativ schwach ausgebildet und die maximale Achslast auf 16 Tonnen pro Achse limitiert. Die Lokomotivkonstrukteure der damaligen Zeit hatten prioritär auf den Umstand Rücksicht zu nehmen, dass die Gleisbelastung mit zunehmender Reisegeschwindigkeit überproportional ansteigt. Die Fahrwerke schnellfahrender Fahrzeuge mussten entsprechend mit zusätzlichen oberbauschonenden Massnahmen ausgebildet werden.

Ein hohes Adhäsionsgewicht und ein hohes Drehmoment, welches durch ein möglichst kleines Verhältnis zwischen Raddurchmesser und Kurbelzapfen-Wirkkreisdurchmesser (Kolbenhub) sowie einer grossen Kolbenfläche erreicht wird, ist lediglich beim Anfahren und bei hohen Zugkräften im niedrigen Geschwindigkeitsbereich erforderlich. Mit zunehmender Reisegeschwindigkeit verlieren diese Attribute an Bedeutung, während die Verdampfungsleistung des Kessels in den Vordergrund tritt.
Seit jeher bestimmt die Lokomotivleistung und die damit verbundene Grösse der erforderlichen Antriebsaggregate das Lokomotivgewicht. In Abhängigkeit der zulässigen Achslast definiert sich daraus die minimale Anzahl der erforderlichen Fahrzeugachsen. Anton Hammel erkannte, dass die benötigten Dampferzeugungsaggregate für die gewünschte Leistungsklasse Dimensionen einnehmen würden, welche mindestens eine sechsachsige Lok erforderlich machen. Da für die Förderung der geforderten 180 Tonnen Anhängelast 32 Tonnen Adhäsionsgewicht ausreichen, entschied er sich für eine Zweikupplerin mit vier zusätzlichen Laufachsen.

Das Bedürfnis nach gleisschonenden Fahrwerkstechniken gewann mit der stetigen Erhöhung der Reisegeschwindigkeit immer stärker an Bedeutung:
Da ungefederte Axiallager seitliche Schläge vom Oberbau nahezu ungedämpft auf den Fahrwerksrahmen übertragen, stossen fest im Rahmen gelagerte Achsen bei Geschwindigkeiten über 100 km/h an ihre physikalischen Grenzen: Fahrzeuge und Geleise können dabei Schaden nehmen!
Seit der Weltausstellung in Chicago, anno 1893, wurde ein möglichst hoher Massenschwerpunkt und ein schmaler, innenliegender Fahrwerksrahmen als geeignete Gegenmassnahme propagiert. Tatsächlich hat das so erreichte labile Wankverhalten einen Dämpfungseffekt zur Folge, welcher in gewisser Weise materialschonend wirkt. Im höheren Geschwindigkeitsbereich neigt aber ein Fahrzeug mit hohem Massenschwerpunkt zum Schlingern, weshalb dieser primitive Trick bei Schnellfahrten kontraproduktiv ist und somit kein praktikabler Kompromiss darstellt. Um eine gute Querdämpfung bei gleichzeitig günstiger Fahrstabilität zu erreichen, muss ein geeigneter mechanischer Lösungsansatz gefunden werden, welcher mit dem Laufdrehgestell auch bereits sehr früh zur Verfügung stand.

Bereits in den Dreissigerjahren des 19. Jahrhunderts fanden Laufdrehgestelle in amerikanischen 2'A-Lokomotiven Verwendung. Ebenfalls in Amerika profitierte man schon seit einigen Jahrzehnten von der hervorragenden Laufkultur von vierachsigen Drehgestell-Wagen. Es ist deshalb kaum eine überraschung, dass ausgerechnet der Geheime Oberbaurat Wittfeld 1904 den Entwurf von Kuhn's «Altona 561» gegenüber anderen Vorschlägen bevorzugte, da diese mit ihren beiden führenden Drehgestellen excelente Laufeigenschaften bei minimaler Gleisbeanspruchung versprach.
Zudem hatte die Achsfolge 2'B2' den Vorteil, dass die für die geforderte Kesselleistung benötigte grosse Feuerbüchse spielend zwischen der Kuppelachse und dem Nachlaufdrehgestell Platz findet und nicht zwischen zwei grossen Triebachsen «eingeklemmt» werden muss. Der Platzbedarf der Feuerbüchse spielt also ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Definition der Achsanordnung einer Dampflokomotive!

Wichtige Grundsätze im Fahrwerksbau konnten beim Bau der S 2/6 eingehalten werden. So gab es auf beiden Seiten der Lokomotive keinen Gewichtsüberhang: Der schwere Zylinderblock stützt sich mit seinem Masseschwerpunkt exakt auf dem Drehbolzen des Vorlaufdrehgestelles ab. (Schornstein, Rauchkammer, Zylinderblock und Drehzapfen befinden sich schulbuchmässig auf einer Linie.) Der Langkessel verteilte sein Gewicht auf den beiden angetriebenen Achsen und der Gewichtsüberhang der schwere Stephenson-Kupferfeuerbüchse wurde vom Nachlaufdrehgestell aufgenommen. Anton Hammel ist es somit gelungen, die Achslasten der S 2/6 wesentlich besser zu verteilt, als dies bei der «Altona 561» der Fall war.

Der horizontale Federweg beider Laufdrehgestelle der S 2/6 betragen je ±60 mm. Eine harte Federeinstellung und ein minimales Axialspiel der Treib- und der Kuppelachse sorgen dafür, dass letztere bei Kurvenfahrten nur wenig Führungsaufgaben übernehmen müssen und tendentiell entgegen der Zentrifugalkräfte an die innenliegende Schiene gedrückt werden.
Hohen Axialbelastungen sind bei Kropfachsen zu vermeiden, da der Kraftfluss nicht linear ist und entsprechend eine Bruchneigung besteht. Die geringen Axialbelastungen bei der S 2/6 gestattete einen Leichtbau der Kropfachse, welche für das Vierzylindertriebwerk Bauart v. Borries (Einachsantrieb) zwingend erforderlich ist. Diese Gewichtseinsparnisse an den exzentrisch angeordneten Massen tragen massgeblich zur gleichmässigen Laufkultur der Dampfmaschine bei.

Abweichend von der üblichen Norm wurde bei der S 2/6 auf eine Vierpunktabstützung verzichtet: Zwischen den Drehgestellen und den Treib- und Kuppelachsen findet somit kein Lastausgleich statt. Diese sogenannte Sechspunktauflage lässt das Fahrzeug auf vertikale Gleiserhebungen etwas empfindlich reagieren. Grundsätzlich lobten aber Zeitzeugen die Laufkultur der S 2/6 sehr und verglichen sie mit einem vierachsigen Personenwagen. Ihr fahrwerksbedingter Schienenverschleiss war mit modernen Drehgestelllokomotive der Achsfolge Bo'Bo' oder Bo'Bo'Bo' vergleichbar und entsprechend gering.

Die erwartete Maximalgeschwindigkeit der S 2/6 war hoch. Da Treibstangen lediglich mit einer beschränkten Drehzahl arbeiten können, wurde ein sehr grosser Treibraddurchmesser von 2'200 mm gewählt. Dank der Achsanordnung 2'B2' war es mit Hilfe von vier kleinen Laufachsen von je 1'006 mm Durchmesser trotzdem möglich, den gesamten Achstand der Lokomotive inklusive Tender mit 18'487 mm auf weniger als 20 m zu beschränken. Das war eine zwingende Vorgabe, um die damaligen Einheitsdrehscheibe mit einer Brückenlänge von 20 m benutzen zu können.

1901 beschaffte die bayerische Staatsbahn in den Vereinigten Staaten bei Baldwin vier Dampflokomotiven. Deren Antriebskonzept nach dem System von Vauclain mit parallelwirkendem Verbundtriebwerk auf Doppelkreuzköpfe überzeugte jedoch nicht. Andere amerikanischen Baugrundsätze - insbesondere der geschmiedete Barrenrahmen - erhielten jedoch dank diesen vier Lokomotiven Einzug in den bayerischen Lokomotivbau.
Anton Hammel übernahm die Idee des Barrenrahmens bereits 1904 beim Bau der S 2/5, liess ihn aber aus fertigungstechnischen Gründen für die S 2/6 dreiteilig herstellen.

Der Vorteil der geringen Gleisbelastung vermochte Nachteile wie das geringe Adhäsionsgewicht und das schlechte Verhältnis zwischen Lokomotivbruttogewicht und Reibungsgewicht nicht zu kompensieren. Dies war der Grund, weshalb die Achsfolge 2'B2' lediglich eine Zwischenstufe der Entwicklung von Dampflokomotivfahrwerken darstellte. Je nach Anwendungsbereich wurde bei nachfolgenden Konstruktionen zusätzliche Kuppelachsen zugefügt (2'C2', 2'D2', ...) oder die erste Laufachse im Nachlaufdrehgestell wurde durch eine Kuppelachse ersetzt (2'C1', 2'D1', ...), was bei Letztgenanntem den Rückfall auf die von den 2'B1'-Lokomotiven bekannten Fahrwerkstechniken mit Adamsachsen oder Deichseln bedeutete. Da Konstruktionen wie Adamsachsen und Bisselgestelle aber keinen führenden, sondern lediglich dämpfenden Charakter besitzen, wurde diese tendenziell eher bei konventionelleren Lokomotivtypen angewendet, während die Technik mit je einem Vor- und Nachlaufdrehgestell weiterhin vorwiegend Hochgeschwindigkeitslokomotiven vorbehalten blieb.

Der Leichtbau setzte sich auch bei der Konstruktion des Kessels durch: Um Gewicht zu sparen wurde statt 20 mm lediglich 16.5 mm dickes Kesselblech verwendet, was den damals üblichen Kesseldruck von 16 atm auf maximal 14 atm reduzierte. Um trotzdem das erforderliche Drehmoment auf die Triebachsen übertragen zu können, musste der fehlende Dampfdruck mit grösseren Dampfzylinderdurchmessern kompensiert werden.

Die beiden Drehgestelle des vierachsigen Tenders wurden von der bayerischen S 2/5 übernommen. Um gegenüber älteren Konstruktionen an Gewicht zu sparen, wurde auf einen massiven Fahrzeugrahmen verzichtet und der Wasserkasten als weitgehend selbsttragende Konstruktion ausgebildet. Der dank diesen Massnahmen nur 13.5 t schwere Tender verfügte über ein Fassungsvermögen von 26 m³ Wasser und 8 t Kohle, was für eine Stahlkonstruktion ein ausserordentlich günstiges Verhältnis zwischen Tara- und Bruttogewicht darstellt.

Jenseits der deutschen Grenze wurde die Zweckmässigkeit von stromlinienförmigen Fahrzeugverkleidungen für das Erreichen höherer Fahrgeschwindigkeiten bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts vermutet.

Der Beginn dieser Aera wurde 1883 in Frankreich eingeleitet, wo François Ricour, Techniker bei der «Chemin de Fer de l'Etat», einen ersten Entwurf einer «windaufspaltenden Lokomotive» vorstellte: Seine «120» war einer der ersten Versuche überhaupt, den Luftwiderstand eines sich bewegenden Objektes durch konstruktive Massnahmen zu reduzieren.
Die Lok verfügte über einen keilförmigen Führerstand und über ebenfalls keilförmige Verkleidungselemente an Kamin, Dampfdom, Rauchkammertür und Zylindern - was diesen Fahrzeuggattungen generell auch den Spitznamen «àbec» (= schnabelförmig) eintrug. Ferner wurden die Radspeichen mit Holzsegmenten versehen, welche die Zwischenräume füllten und die Räder als Scheibenräder erscheinen liessen.

Zeitgenössische Quellen möchten den konstruktiven Massnahmen von François Ricour eine Verbesserung der Energiebilanz von 12 % bis 14 % zusprechen. In Anbetracht der damaligen langsamen Fahrgeschwindigkeiten dürfte aber dieser Umstand eher auf eine bewusstere Fahrweise des Lokpersonals, als auf eine vermeintlich verbesserte Aerodynamik zurück zu führen gewesen sein (Anmerkung des Autors).
Obwohl die angeblich positiven Betriebsergebnisse wissenschaftlich nie belegt werden konnten, vermochten sie die Verantwortlichen in Frankreich trotzdem so sehr zu überzeugen, dass zwischen 1888 und 1904 verschiedene Serien der sogenannten «Coupe vent» («Windschneider») gebaut wurden.
Die futuristische Erscheinung dieser Lokomotiven erregten in der öffentlichkeit grosses Aufsehen. Deshalb erschien das Sujet der «Coupe vent» bis zum 1. Weltkrieg zu Werbezwecken immer wieder auf zahlreichen Postkarten.

Anton Hammel übernahm von François Ricour sowohl die Idee, als auch die aerodynamischen Grundsätze für den Bau der S 2/6. Mangels damaliger wissenschaftlicher Grundlagen vermuteten beide den geringsten Luftwiderstand in der Form einer keilförmigen «Windschneide».
Die Erkenntnis kam erst später, dass eine tropfenförmiger Körper, mit stumpf gerundeter Nase und kontinuierlich schlanker werdenden Rumpf viel weniger Luftwiderstand verursacht. So erklärt es sich, weshalb an der S 2/6 aerodynamisch relevante Verkleidungselemente am Dampfdom und am Kamin als «Windschneiden» auf der falschen, dem Fahrtwind zugewandten Seite platziert wurden. Entsprechend lassen neuzeitliche Berechnungen auch bei der S 2/6 Zweifel an der Effizienz der getroffenen Massnahmen zur Reduktion des Luftwiderstandes aufkommen.

Den grössten aerodynamischen Nutzen brachte der Lokomotive zweifelsfrei das spärliche Anbringen von Zusatzaggregaten und Leitungen an der Kesselaussenwandverkleidung ein. Der glatten «Aussenhaut» und der ursprünglich grauen Farbgebung wegen verdankt die S 2/6 schliesslich auch den Spitznamen «Zeppelin».

«Windschneiden» erhielt die S 2/6 an der Rauchkammertüre, den Zylindern, dem Kamin, dem Dampfdom und am Führerhaus.
Dank dem Verzicht auf eine Vollverkleidung sind die typischen optischen Merkmale von Dampflokomotiven erhalten geblieben. So verleiht die Teilverkleidung dem Fahrzeug das charakteristische, zeitlos elegante Erscheinungsbild, indem sie das klassische Element mit einem harmonisch futuristischen in Einklang bringt.

Obwohl die S 2/6 im zeitgenössischen Hinblick auf ihren Einsatz als Hochgeschwindigkeits- lokomotive durchaus als in jeder Hinsicht gelungen bezeichnet werden darf, lässt sich nicht von der Hand weisen, dass einige zur Zielerreichung notwendigen konstruktiven Kompromisse im Verlaufe der Betriebsjahre Probleme verursachten. In erster Linie war es der Leichtbau, welcher die Dauerhaftigkeit einzelner Teile stark herabsetzte. So erwiesen sich die von der S 2/5 übernommenen Tenderdrehgestelle bald als zu schwach. 1916 wurden sie durch Aufnieten von Blechen verstärkt.
Schliesslich war es der Kessel, welcher mit seiner nur 16.5 mm dicken Kesselwand nach 19-jährigem Einsatz bereits sanierungsbedürftig war und zur Stilllegung der Lokomotive führte.

Paradoxerweise wurde ein «Hauptleiden» der Lokomotive erst bei der kosmetischen Instandstellung für das Museum entdeckt: Der Tender, welcher in engen Radien oft zum Entgleisen neigte, war bereits ab Werk zu kurz an den Lokomotivrahmen gekuppelt. Trotz der bereits erfolgten Ausserbetriebsetzung wurde daraufhin die Kupplungsdeichsel um 30 mm verlängert, was entsprechend den gesamten Achsstand der Lokomotive beeinflusste.
Offen bleibt die Frage, weshalb die Techniker von Maffei den Tender so kurz kuppelten: Ob es ein unentdeckter Irrtum war oder ob auf diese Weise Schwingungen bei Hochgeschwindigkeitsfahrten hätten vermindert werden sollen, lässt sich leider nicht mehr nachvollziehen.

K.Bay.Sts.B. S 2/6 3201
DR BR 15.001
Baujahr 1906
Erbauer J.A.Maffei
Länge über Puffer 21'182 mm
Achsstand ohne Tender 11'700 mm
Gesamter Achsstand inkl. Tender 18'487 mm
Leergewicht ohne Tender 75.7 t
Dienstgewicht ohne Tender 83.4 t
Adhäsionsgewicht 32 t
Kohlenvorrat 8 t
Wasservorrat 26 m³
Trieb- & Kuppelraddurchmesser 2200 mm
Laufraddurchmesser 1006 mm
Dampfmaschine Heissdampf-Vierzylinder-Verbund
Zylinderdurchmesser Hochdruck 2 x 410 mm
Zylinderdurchmesser Niederdruck 2 x 610 mm
Kolbenhub Hochdruckzylinder 640 mm
Kolbenhub Niederdruckzylinder 640 mm
Steuerung Heusinger, Kolbenschieber
Rostfläche 4.71 m²
Überhitzerfläche 38 m²
Heizfläche gesamt (Verdampfungsheizfläche) 214.5 m²
Kesseldruck 14 bar
Indizierte Leistung ca. 1620 kW (2220 PS)
Zulässige Fahrgeschwindigkeit 150 km/h (154.4 km/h auf Rekordfahrt am 2. Juli 1907 mit 150 t Anhängelast auf Horizontalfahrt)

Die S 2/6 spielte in ihrer Geschichte zweifellos eine tragische Doppelrolle: Obwohl sie 1906 technisch ihrer Zeit weit voraus war und in ihrer Ausführung perfekt dem Pflichtenheft entsprach, wurde sie konzeptionell bereits nach sehr kurzer Einsatzdauer von den sich rasch ändernden Rahmenbedingungen eingeholt und - mit Ausnahme von wenigen Betriebsjahren in der Pfalz - in eine Nebenrolle als ungeliebte Einzelgängerin gedrängt. Abgesehen von den Rekordfahrten anno 1907 deutet somit der Werdegang der S 2/6 eigentlich auf die Geschichte einer unbedeutenden Fehlkonstruktion hin, die nie in Serie gebaut wurde und nach wenigen Jahren aus dem Dienst verschwand.
Die historische Bedeutung dieser Lokomotive liegt aber nicht in ihrer betrieblichen Laufbahn begründet! Vielmehr spielte die S 2/6 technologisch und konzeptionell eine Vorreiterrolle, welche nicht nur den Lokomotivbau nachhaltig beeinflusste:

Die Konstruktionsmentalität vor hundert Jahren unterschied sich zur heutigen im Wesentlichen darin, dass mit jeder Entwicklung meist die Absicht verbunden war, ein möglichst dauerhaftes Produkt zu schaffen. Entsprechend wurden die meisten Elemente überdimensioniert, um Materialermüdungen auch langfristig ausschliessen zu können.
Die Vorgaben für die Neuentwicklung zwangen Anton Hammel mit der herkömmlichen Konstruktionsphilosophie zu brechen und die Grenzen des gegenwärtig machbaren auszuloten. Diesem Umstand folgten natürlich sowohl positive, als auch negative Aspekte: So sind einerseits konstruktive Glanzleistungen wie der Entwurf des Tenders hervorzuheben, dessen Wasserkasten als selbsttragende Konstruktion ausgebildet wurde. Die Konsequenz aus dieser Art der Entwicklung ist die heutige, die Fahrzeugbautechnik dominierende Integralbauweise: Neben ihrer Funktion als Fahrzeugverkleidung ist die Karosserie gleichzeitig auch das tragende Element.
Der bei der Entwicklung der S 2/6 angestrebte Leichtbau war aber auch ein Kompromiss zwischen Materialaufwand und Langlebigkeit: Als Konsequenz des Leichtbaus wurde die Lebensdauer der Lok herabgesetzt, beziehungsweise der Fahrzeugunterhalt aufwendiger. Vermutlich nicht im Sinne der Erbauer kann so die S 2/6 auch als Symbol für den Wandel vom Einfachen und Robusten zum kurzlebigen High-Tech-Produkt wahrgenommen werden, welche heutzutage zunehmend alle Lebensbereiche dominieren.

Ebenfalls ist das mit der «Altona 561» aufgegriffene Fahrwerkskonzept mit den für die Spurführung verantwortlichen Vor- und Nachlaufdrehgestellen erfolgreich realisiert worden. Weltweit machten Konstrukteure von Hochleistungs- und Rekordlokomotiven immer wieder von dieser Lösung gebrauch. Als namhafte Beispiele aus der Dampflokzeit seien die beiden als Hochgeschwindigkeitsloks konzipierten deutschen Baureihen 05 (2'C2') und 06 (2'D2') oder die amerikanischen Hudsons (4-6-4), Northerns (Niagaras) (4-8-4), Challengers (4-6-6-4), Big-Boys (4-8-8-4) und die Class S-1 6100 (6-4-4-6) aufgeführt.

Das Schicksal der Serienuntauglichkeit und auch der Kurzlebigkeit teilte die S 2/6 mit vielen anderen Rekordlokomotiven: So wurde auch die grösste, leistungsfähigste und inoffiziell schnellste Dampflokomotive der Welt - die Class S-1 6100 der Pennsylvania Railroad - als Einzelstück gebaut und nach nur zehn Betriebsjahren aus Gründen der Wirtschaftlichkeit bereits wieder verschrottet.